Was bricht den Wudū bzw. verursacht den Hadath al-Asghār?

Bismillāhir-rahmānir-rahīm.
Al-hamdu lillāhi rabbil-ālamīn.
Was-salātu was-salāmu alā rasūlinā muhammad,
wa alā ālihi wa sahbihi ajma’īn

In Deinem Namen lernen wir diese Dinge und nur Dir gegenüber müssen wir uns am Ende rechtfertigen.


Laut dem Shāfi’ī Madhhab brechen nur vier Dinge den Wudū.

In diesem Thema gibt es außerdem nicht wenige Unterschiede zwischen den Gelehrten des Fiqh. Daher ist es wichtig, dass folgendes nochmal ausdrücklich in Erinnerung gerufen wird:

Bei Themen über die eine etablierte Meinungsverschiedenheit zwischen den Gelehrten besteht, kritisiert man sich nicht gegenseitig!

  1. Das Austreten einer beliebigen Sache aus den vorderen oder hinteren privaten Öffnungen.
  2. Bewusstseinsverlust (Schlaf, Ohnmacht, starke Alkoholisierung, …)
  3. Der Hautkontakt mit einer Person des anderen Geschlechts.
  4. Das Berühren der vorderen oder hinteren privaten Teile mit der Handinnenfläche.

1. Das Austreten einer beliebigen Sache aus den vorderen oder hinteren privaten Öffnungen.

  • Eine beliebige Sache:
    Egal ob rein, unrein, fest, flüssig oder gasförmig. Diese Sache kann etwas Normales sein, wie z.B. Madhī, Urin oder Gas, oder auch nicht, wie z.B. Steine.
    [Madhī = die klebrige Flüssigkeit, die in kleinen Mengen vor dem sexuellen Höhepunkt entweicht]
  • Die einzige Ausnahme wäre Manī, aber diese Ausnahme ist in der Praxis nicht außerordentlich relevant, weil beim Austreten von (reinem) Manī zwar nicht der Wudū aber der Ghusl nötig wäre. Außerdem tritt Manī nicht selten erst nach einer gewissen Menge von Madhī aus, was dann auch den Wudū brechen würde.
    [Manī = die Flüssigkeit, die beim sexuellen Höhepunkt entweicht]
    [Diese Ausnahme wollte ich nur der Vollständigkeit halber erwähnen.
    Sie macht in der Praxis eigentlich nicht viel aus und muss daher nicht zwingend berücksichtigt werden.]

2. Bewusstseinsverlust (Schlaf, Ohnmacht, starke Alkoholisierung, …)

  • Ab wann:
    • Legt man sich schlafen, bricht der Wudū erst, wenn man die Leute um sich herum gar nicht mehr hören kann. Einfach nicht mehr verstehen zu können, was die Leute sagen, zählt nicht als Bewusstseinsverlust und würde daher nicht unter diesen Punkt fallen.
      [„Ich weiß nicht, ob ich richtig geschlafen habe, oder nur kurz davor war.“ –> Du hast noch Wudū!]
    • Bei einer starken Alkoholisierung oder z.B. wenn man starkes Fieber hat, bricht der Wudū in dem Moment, wenn man nicht mehr bei Verstand ist, keine richtige Kontrolle mehr über sich hat und sich später dann nicht mehr an diesen Zustand erinnern kann.
  • Ausnahme: Wenn man durchgehend stabil auf einem festen Untergrund sitzend schläft; unabhängig davon, ob man sich dafür anlehnen musste oder nicht. Hauptsache das Sitzen verhindert einigermaßen gut, dass Gas austreten kann. Beispiele hierfür wären das Sitzen im Bus, im Flugzeug oder im Auto. Die Madhhab beschränkt diese Ausnahme jedoch auf das Sitzen (wie im Hadith) und schließt daher andere Methoden aus, wie z.B. das Liegen.

3. Der Hautkontakt mit einer Person des anderen Geschlechts.

  • Unabhängig von der Absicht.
    Bei der berührenden und genauso bei der berührten Person.
    [Wenn der Hautkontakt beispielsweise aus Versehen auf dem Gehweg passiert, bricht er daher bereits den Wudū beider Personen.
    Auch wenn ein großer Altersunterschied besteht.]
  • Hautkontakt:
    Kontakt mit den Haaren, Zähnen, Nägeln oder bedeckter Haut bricht den Wudū nicht! Nur Haut auf Haut!
    [Berührt man seinen Ehepartner daher mit Lust an einer bedeckten Stelle oder streicht dem Partner einfach nur durch die Haare, so bricht der Wudū nicht!]
  • Verwandte:
    Ausgenommen hiervon sind ewige Mahrams. Der Hautkontakt mit dem Ehepartner bricht daher den Wudū, weil der Ehepartner seinen Mahram-Status durch die Scheidung (möge ALLĀH uns bewahren) wieder verlieren kann! Zum Beispiel die Eltern, die Geschwister und die Geschwister der Eltern wären jedoch ewige Mahrams, ohne mögliches Ende. [Die Definition wurde an dieser Stelle kurz gehalten, damit nicht das ganze Mahram-Thema durchgearbeitet werden muss. Hierzu folgt inshāAllāh ein eigenerer Beitrag.]
  • Alter:
    Der Wudū bricht nur, wenn beide Personen bereits ein bestimmtes Alter erreicht haben, bei dem man grundsätzlich schon auf andere (normale) Menschen attraktiv wirken kann. Altersunterschiede zwischen dem/der Berührenden und dem/der Berührten spielen bei der Bestimmung dieses Alters jedoch gar keine Rolle.
  • Ob die berührte Person lebt oder nicht, macht auch keinen Unterschied.

4. Das Berühren der vorderen oder hinteren privaten Teile mit der Handinnenfläche.

  • Unabhängig von der Absicht.
    [Wer beispielsweise beim Umziehen aus Versehen mit der Handinnenfläche sein privates Teil berührt, auch wenn es nur kurz war, bricht damit bereits seinen Wudū.]
  • Hautkontakt:
    Hier ist genauso nur der Hautkontakt ohne Barrieren gemeint.
    [Trägt man beispielsweise Gummihandschuhe oder ist an den privaten Teilen bekleidet, bricht der Wudū nicht.]
  • Handinnenfläche:
    Ungefähr der Bereich, der aufliegt, wenn man beide Hände mit ausgestreckten Fingern innen zusammenhält (Handteller auf Handteller, Finger auf Finger, ähnlich wie beim Klatschen nur schön aufeinander) und leicht zusammendrückt. Die beiden Daumen können so jedoch nicht schön aufeinander liegen. Bei diesen geht man dann einfach von der gleichen Fläche aus, wie sie bei den anderen Fingern ist.
    Daher würde es nichts ausmachen, wenn man die privaten Teile mit dem Handrücken, dem Handgelenk, den Spitzen der Finger oder den Nägeln berührt.
    [Man könnte es womöglich auch folgendermaßen beschreiben: Der Bereich den man sieht, wenn man direkt auf die Handinnenfläche schaut. Die zuvor erwähnte Erklärung wird jedoch in Fiqh-Unterrichten bevorzugt.]
  • Bei anderen auch:
    Dies beschränkt sich nicht nur auf die eigenen privaten Teile, sondern gilt ausnahmslos bei jedem Menschen; unabhängig vom Alter, der Verwandtschaft oder dem Geschlecht; Lebende sowie Verstorbene.
    [Daher beispielsweise auch beim Wechseln von Windeln möglich.]
  • Es bricht nur der Wudū desjenigen, der berührt.
    [Behandelt ein männlicher Doktor beispielsweise aus Notwendigkeit das private Teil eines Patienten (ohne Handschuhe), bricht nur der Wudū des Doktors und nicht der Wudū des Patienten; außer es würde sich um eine PatientIN handeln (siehe 3. Wudū-Brecher).
  • Welche Bereiche der privaten Teilen:
    • Die Gesäßöffnung ist hiervon nur direkt bei der Öffnung betroffen.
    • Für Männer: Nur das Glied, ohne den Hodensack.
    • Für Frauen: Was (vorne) geschlossen wäre, wenn man stehen würde.

Was den Wudū NICHT bricht:

  • Berühren einer unreinen Sache
  • Bluten
  • Übergeben
  • Kamelfleisch essen
  • Rauchen
  • Schimpfwörter sagen (was dennoch vermieden werden sollte)

Allgemein einfach alles, was nicht unter die oben genannten vier Punkte fallen würde.

[siehe Minhāj at-Tālibīn, Fath al-Qarīb, Mughnī al-Muhtāj]

Wichtig: Es ist dennoch empfohlen, den Meinungsverschiedenheiten aus dem Weg zu gehen und seinen Wudū zu erneueren, wenn dieser zwar laut der eigenen Madhhab noch gültig wäre, aber laut einer anderen Madhhab nicht mehr. Zum Beispiel, wenn man blutet (Hanafi, Hanbali), Kamelfleisch isst (Hanbali), sich übergibt (Hanafi) oder im Gebet laut gelacht hat (Hanafi).

Und ALLĀH ta’ālā weiß es am besten.