[Q&A] Wudu durch Ghusl

Bismillāhir-rahmānir-rahīm.
Al-hamdu lillāhi rabbil-ālamīn.
Was-salātu was-salāmu alā rasūlinā muhammad,
wa alā ālihi wa sahbihi ajma’īn

In Deinem Namen lernen wir diese Dinge und nur Dir gegenüber müssen wir uns am Ende rechtfertigen.


Frage:

Bekommt man durch den Ghusl auch immer den Wudu? Müsste man, wenn man nach dem Ghusl beispielsweise beten will, anschließend den Wudu vollziehen oder nicht?

Antwort:

Um die Antwort besser verstehen zu können, müssen zunächst ein paar Dinge klargestellt werden:

  • Wenn man sich mit dem Wudu wäscht, damit man z.B. beten kann, dann spricht man vom Wiederherstellen der kleinen rituellen Reinheit, die an den Wudu-Bereichen dann eben fehlt.
  • Wenn man sich mit dem Ghusl wäscht, weil man sich im Zustand der Janabah befindet oder als Frau eine Menstruation oder Wochenbettblutung hinter sich hat, dann spricht man vom Wiederherstellen der großen rituellen Reinheit, die an diesem einen Ghusl-Bereich dann eben fehlt (also dem ganzen Körper).

Was heißt das nun für diese Fragestellung?

Sobald man mit dem Ghusl die große rituelle Reinheit an all den Stellen des Körpers wiederherstellt, nimmt man laut dem Shafi’i-Madhhab auch automatisch die kleine rituelle Reinheit an dieser Stelle mit; also wenn die Stelle sich in einem Wudu-Bereich befindet. Und all das sogar ohne eine zusätzliche Absicht, weil es laut der Madhhab einfach der Natur der Sache entspricht. Das Wiederherstellen des Großen beinhaltet nämlich auch immer das Wiederherstellen des Kleinen; sogar wenn man das genaue Gegenteil beabsichtigen würde (also dass man NICHT auch den Wudu bekommen will).

Das bedeutet also, wenn man beim Ghusl (z.B. wegen der Janabah) seinen linken Zeigefinger wäscht, dann würde der linke Zeigefinger automatisch auch wie durch den Wudu gewaschen sein. Aber wenn man dann z.B. seine rechte Schulter wäscht, hätte das keine Auswirkungen auf den Wudu, weil es sich bei der Schulter ja um keinen Wudu-Bereich handelt und es dort deswegen keine kleine rituelle Reinheit zum Wiederherstellen gibt.

Aber.. ein Ghusl, der keine große rituelle Reinheit wiederherstellt, würde jedoch keine solche Wirkung haben, wie zum Beispiel der empfohlene Freitags-Ghusl oder wenn man einfach nur wegen der Hygiene duscht. Viele Muslime scheinen nämlich zu denken, dass praktisch jeder Ghusl diese beschriebene Wirkung hat, was zumindest laut dem Shafi’i-Madhhab aber nicht der Fall ist.

Was ist aber mit der verpflichtenden Reihenfolge beim Wudu?

Beim Ghusl gibt es ja keine verpflichtende Reihenfolge, aber beim Wudu ja schon. In diesem Fall, also damit man durch den Ghusl auch den Wudu bekommt, muss man für den Wudu diese Reihenfolge ausnahmsweise nicht einhalten. Eine Person könnte also theoretisch beim Ghusl erstmal mit den Füßen beginnen, dann erst die Arme waschen und dann die Kopfhaut, und das Einzige, was dann für den vollständigen Wudu noch nötig wäre, wäre das Gesicht.

Was wäre, wenn man während dem Ghusl seinen Wudu bricht?

Wenn während des Ghusls etwas geschieht, was einen Wudu-Brecher darstellt (wie z.B. die Berührung des Intimbereiches mit der Handinnenfläche), dann würde man diesen Wudu aber doch nicht bekommen, weil er damit ja (wie es auch sonst der Fall ist) ungültig werden würde.

Beispiel für das Gelernte:
Sagen wir, eine Person im Zustand der Janabah vollzieht den Ghusl und es sind nur noch der Intimbereich, die Füße und (auch wenn unrealistisch) der rechte Arm übrig. Das bedeutet, dass also nur die genannten Bereiche sich noch nicht im Zustand der großen rituellen Reinheit befinden, und es bedeutet, dass die Person schon an ihrem Gesicht, ihrer Kopfhaut und ihrem linken Arm schon die kleine rituelle Reinheit hat (also dort schon „Wudu hat“). Nun stellen wir uns vor, dass sie aus Versehen beim Fortfahren mit dem Ghusl ihren Intimbereich mit der Handinnenfläche berührt hat. Was passiert?

Auf den Ghusl hat das natürlich gar keine Auswirkung, aber ihr bisheriger Wudu (= linker Arm, Gesicht & Kopfhaut) ist damit jetzt weg. Sagen wir, die Person vervollständigt nun ihren Ghusl und wäscht also noch den restlichen Körper, inklusive der Füße und des rechten Armes. Damit befindet sie sich nun überall in einem Zustand der großen rituellen Reinheit UND hat an ihren Füßen und ihrem rechten Arm nun auch Wudu, weil die verbleibenden Ghusl-Bereiche natürlich die Wudu-Bereiche wieder mitgenommen haben! Nach dem Ghusl müsste diese Person also nur noch ihr Gesicht, ihre Kopfhaut und ihren linken Arm waschen und hätte dann schon einen vollständigen Wudu!

Wichtig: Es wäre in dem Beispiel nicht möglich gewesen, dass die Person stattdessen einfach ein zweites Mal mit der Absicht des Ghusls ihren linken Arm, ihr Gesicht und ihre Kopfhaut wäscht, damit sie ihren dort verlorenen Wudu wiederherstellen kann. Diese Bereiche wurden ja bereits mit dem Ghusl gewaschen und befinden sich deswegen schon in einem Zustand der großen rituellen Reinheit, auch wenn der Ghusl noch nicht fertig und andere Bereiche sich noch nicht im Zustand der großen rituellen Reinheit befinden! Nicht vergessen: Wenn durch den Ghusl keine große rituelle Reinheit an einer Stelle aufgehoben wird, dann wird durch den Ghusl auch keine kleine rituelle Reinheit aufgehoben. (Ich hebe das so sehr hervor, weil ich das leider vor langer Zeit mal dachte und damit wohl auch nicht alleine war.)

Wer das Bisherige verstanden hat, kann auch den nachfolgenden „Trick“ ohne Weiteres verstehen, mit dem man den Ghusl auf eine einfache Art vollziehen kann, die nicht den Wudu gefährdet.

Kleiner Trick:

Shaykh Amjad Rasheed (hafidhahullah) erwähnt, dass, wenn man mit dem Ghusl auf eine sichere Art auch Wudu bekommen will, man erstmal das Wiederherstellen der großen rituellen Reinheit nur am Intimbereich beabsichtigen und vollziehen sollte und erst danach für den restlichen Körper beabsichtigen und vollziehen sollte. Siehe hier.

Erklärung: Laut der Madhhab kann man die Absicht für den Ghusl auf einen bestimmten Bereich beschränken (z.B. den Intimbereich), indem man am Anfang des Ghusls einfach nur diesen Bereich beabsichtigt statt (wie normalerweise) einfach den ganzen Körper. Würde man nun beabsichtigen, die große rituelle Reinheit nur am Intimbereich herzustellen, könnte man danach den restlichen Körper ganz normal fertig waschen, ohne dann mit dem Intimbereich zu tun haben zu müssen. Und weil alle Wudu-Bereiche sich am restlichen Körper befinden und ihre große rituelle Reinheit auch noch nicht wiederhergestellt wurde, kann man dann mit dem Ghusl dort die große und kleine rituelle Reinheit herstellen, ohne diese Gefahr mit dem Berühren des Intimbereiches.

Abschließend:
Bei einem durch den Ghusl dazu bekommenen Wudu besteht zwar im Allgemeinen kein Problem, aber dennoch wird es als Sunnah angesehen, den Wudu separat zu vollziehen. Hierzu folgt inshaAllah noch ein eigener Beitrag.

Quellen:

Und ALLĀH ta’ālā weiß es am besten.