Qawl Qadīm und Qawl Jadīd

Bismillāhir-rahmānir-rahīm.
Al-hamdu lillāhi rabbil-ālamīn.
Was-salātu was-salāmu alā rasūlinā muhammad,
wa alā ālihi wa sahbihi ajma’īn

In Deinem Namen lernen wir diese Dinge und nur Dir gegenüber müssen wir uns am Ende rechtfertigen.


Die Lehren von Imām ash-Shāfi’ī (radīAllāhu anhu) werden in zwei Kategorien unterteilt:

1. Qawl Qadīm: Seine „alten Ansichten“, die er in seiner Zeit in Bagdad vertrat.

2. Qawl Jadīd: Seine „neuen Ansichten“, die er dann ab seiner Zeit in Ägypten vertrat.

Die weit-verbreitetste Meinung unter den Muslimen ist, dass Imām ash-Shāfi’ī seine Meinungen nicht aufgrund von neuen Erkenntnissen, sondern aufgrund der neuen Lebensumstände und Kultur in Ägypten änderte. Wenn man sich jedoch ansieht, bei welchen Themen der Imām seine Meinungen geändert hat, nämlich primär Ibādāt (siehe Beispiele unten), wird schnell klar, dass das eher nur ein Gerücht zu sein scheint.

Der korrekte Grund ist daher, dass Imām ash-Shāfi’ī dort von neuem Wissen profitieren konnte und damit seinen eigenen Fiqh überarbeitete. Ein weiterer Beweis hierfür ist nämlich, dass nicht wenige Ahādīth aus dem Musnad von Imām ash-Shāfi’ī und anderer seiner Werke über ägyptische Shuyūkh überliefert wurden.

Grundsätzlich bevorzugt der Shāfi’ī Madhhab die neuen Ansichten von Imām ash-Shāfi’ī (radīAllāhu anhu), weil der Imām diese seinen alten Meinungen gegenüber klar bevorzugte. Jedoch gibt es rund 20 Fälle in denen die späteren Shāfi’iyyah seine alten Ansichten bevorzugten.

Imām an-Nawawī (rahimahullāh) nennt einige dieser alten Meinungen:

– Das Sagen von “Das Gebet ist besser als der Schlaf“ im Adhān von Fajr ist empfohlen. (Im Gegensatz hierzu war die neue Ansicht von Imām ash-Shāfi’ī: Makrūh)
– Das Rezitieren einer Sūrah in den letzten beiden Gebetseinheiten ist nicht empfohlen. (Im Gegensatz hierzu war seine neue Ansicht: Makrūh)
– Die Zeit von Maghrib erstreckt sich bis zur Zeit von Ishā.
(Im Gegensatz hierzu war seine neue Ansicht: Maghrib dauert so lange wie eine vollständige Gebetsvorbereitung zusammen mit der Verrichtung der Gebete ungefähr dauert.)
– Wenn der Imām in einem lauten Gebet „Āmīn“ laut sagt, sagt der Mitbeter es auch laut. (Im Gegensatz hierzu war seine neue Ansicht: Makrūh)

[siehe al-Majmū‘]

Diese alten Ansichten wurden den neuen Ansichten vorgezogen, weil sie laut den späteren Shāfi’iyyah klar stärker waren. Um so etwas sagen zu können, benötigt es aber entsprechendes Wissen über die Lehren des Imāms. (Daher bitte nicht mit dem „Diese Ansicht hat keinen Beweis“ verwechseln, das so manche Leute heute mal gerne leichtfertig behaupten.)

Und ALLĀH ta’ālā weiß es am besten.