Gebete auf der Reise – (1/2) Was gilt als Reise?

Bismillāhir-rahmānir-rahīm.
Al-hamdu lillāhi rabbil-ālamīn.
Was-salātu was-salāmu alā rasūlinā muhammad,
wa alā ālihi wa sahbihi ajma’īn

In Deinem Namen lernen wir diese Dinge und nur Dir gegenüber müssen wir uns am Ende rechtfertigen.


In diesem Beitrag wird zunächst behandelt, was genau man unter einer Reise versteht, wenn man von dem Kürzen und Zusammenlegen von Gebeten auf einer Reise spricht.

Inhaltsverzeichnis

  1. Bedingungen einer gültigen Reise
    • Reisedistanz
    • Grund der Reise
  2. Beginn der Reise
  3. Ende der Reise
    • Wenn der Zielort einen Heimatort darstellt
    • Langer Aufenthalt geplant
    • Kein langer Aufenthalt geplant
    • Nicht klar, ob ein langer Aufenthalt geplant ist oder nicht

1. Bedingungen einer gültigen Reise

Eine Reise muss grundsätzlich nur zwei Bedingungen erfüllen, damit man auf ihr seine Gebete kürzen und zusammenlegen kann:

  1. Das Ziel muss eine gewisse Distanz entfernt sein.
  2. Die Reise muss erlaubt sein.

1a. Reisedistanz

Man muss sich zumindest ziemlich sicher sein, dass der Weg von den Grenzen des Heimatortes bis zu den Grenzen des Zielortes mindestens 81 km weit ist. Nicht die Luftlinie, sondern die Distanz des Weges selbst wäre hier also von Bedeutung.
[Obwohl diese Schätzung einigermaßen bekannt und akzeptiert ist, wäre es empfohlen, wegen anderen Schätzungen auf Nummer sicher zu gehen und stattdessen von 90 km auszugehen.]

Mit den Grenzen eines Ortes ist der Übergang zwischen dem gemeint, was die Leute dieses Ortes als innerhalb und außerhalb des Ortes bezeichnen würden. Ein Zeichen dafür, dass man sich nun außerhalb eines Ortes befindet, wäre zum Beispiel das Aufhören der Gebäude und der Wechsel in weite Landschaften. Zwei Orte, die wie miteinander verbunden sind, würden in diesem Zusammenhang als ein Ort gelten, auch wenn sie unterschiedliche Namen haben.

Würde man einen längeren Weg nur wählen, weil man sonst nicht über die 81 km käme, dann wäre die Bedingung der Reisedistanz dennoch nicht erfüllt. Sollte man den längeren Weg stattdessen aus einem berechtigten Grund wählen, wie wenn der kürzere Weg schwieriger oder unsicherer wäre oder man auf der längeren Strecke eine zusätzliche Erledigung hat, dann wäre die Bedingung der Reisedistanz wiederum schon erfüllt.

Wie lange man für die Distanz benötigt, spielt keine Rolle. Solange die Entfernung stimmt, könnte man die Distanz genauso gut in einer einzigen Sekunde zurücklegen.

1b. Erlaubtheit der Reise

Die Gelehrten der Madhhab sagen, dass man auf einer verbotenen Reise nicht seine Gebete kürzen und zusammenlegen darf. Der Grund hierfür sollte offensichtlich sein: Wieso sollte man Erleichterungen dafür bekommen, damit das Sündigen einem noch leichter fällt?

Die Reise SELBST darf also nicht verboten sein, wie wenn man zum Stehlen eines Autos reist oder eine Frau entgegen dem Willen ihres Ehemannes reist. Was jedoch nicht gemeint ist, ist das Sündigen AUF einer Reise. Daher dürfte man seine Gebete weiterhin kürzen, wenn man z.B. seine Verwandten in einem anderen Land besucht (= erlaubte Reise), aber auf dem Weg dorthin lügt und anderweitig sündigt. (Man sollte seinem Herren aber trotzdem für seine Barmherzigkeiten unendlich dankbar sein und Seine Grenzen daher nicht überschreiten.)

Sollte die Reise nicht verboten, sondern lediglich makruh sein, wäre das Kürzen und Zusammenlegen noch möglich.

2. Beginn der Reise

Die Reise beginnt grundsätzlich erst mit dem Verlassen des Heimatortes. Das bedeutet, man gilt erst ab den Grenzen seines Heimatortes als Reisender und könnte seine Gebete erst ab dann kürzen und zusammenlegen. Es würde dann auch keine Rolle spielen, ob man sich dann noch nah an seinem Heimatort befindet oder nicht.

3. Ende der Reise

Wann eine Reise endet, hängt grundsätzlich davon ab, wie lange man vorhat am Zielort zu verbleiben und ob es sich bei dem Zielort um einen weiteren Heimatort handelt.

3a. Wenn der Zielort einen Heimatort darstellt

Sollte es sich bei dem Zielort um einen weiteren Heimatort handeln, dann würde die Reise mit dem Verlassen des einen Heimatortes beginnen und mit dem Betreten des anderen Heimatortes wieder enden. Man könnte dann also nur auf dem Weg seine Gebete kürzen und zusammenlegen.

Ein Heimatort wird als ein Ort definiert, den man praktisch nur verlässt, wenn es einen Grund dafür gibt. Man befindet sich an so einem Ort also nicht einfach nur für eine bestimmte Erledigung (Besuch, Geschäftliches, Unterhaltung, …), sondern lebt ganz normal dort.

Am Zielort ein Ferienhaus oder ein Hotelzimmer zu haben, würde den Zielort nicht gleich zu einem Heimatort machen.

Bei Heimartorten spielt es in dieser Hinsicht generell keine Rolle, wie lange man vorhat, dort zu bleiben.

3b. Langer Aufenthalt geplant

Sollte der Aufenthalt am Zielort für mindestens vier volle Tage geplant sein, wäre der Zielort auch wie ein (vorübergehender) Heimatort. Das heißt, man könnte seine Gebete auch in diesem Fall nur kürzen und zusammenlegen, solange man noch nicht den Zielort erreicht hat.

Der Tag an dem man am Zielort ankommt und der Tag an dem man den Zielort verlässt, zählen jedoch nicht. Dasselbe gilt für die Nächte. Das bedeutet:

  1. Wenn man tagsüber ankommt, zählen die Tage erst ab der Maghrib-Gebetszeit.
  2. Wenn man in der Nacht ankommt, zählen die Tage erst ab der Fajr-Gebetszeit.
  3. Wenn man den Ort tagsüber verlassen will, zählen die Tage nur noch bis zur letzten Fajr-Gebetszeit.
  4. Wenn man den Ort in der Nacht verlassen will, zählen die Tage nur noch bis zur letzten Maghrib-Gebetszeit.

Wenn eine Person am Zielort beispielsweise an einem Montag zur Dhuhr-Gebetszeit ankommt, würde ihr Aufenthalt als lang gelten, wenn der Aufenthalt mindestens bis zur Maghrib-Gebetszeit am Freitag andauern würde.

3c. Kein langer Aufenthalt geplant

Wenn kein langer Aufenthalt am Zielort geplant ist, gilt man so lange als Reisender bis man zu seinem Heimatort zurückkehrt oder einen anderen Zielort erreicht, an dem man vor hat, mindestens vier volle Tage zu bleiben.

3d. Nicht klar, ob ein langer Aufenthalt geplant ist oder nicht

Wenn man nicht weiß, ob man mindestens vier volle Tage bleiben will oder nicht, gilt man so lange als Reisender bis der Aufenthalt diese vier vollen Tage erreicht. Ab dann jedoch nicht mehr.

In diesem Fall würde man aber nur die vollen vier Tage lang als Reisender gelten, wenn man sich wirklich bis zum Ende dieser vier Tage unsicher darüber ist, ob man mehr oder weniger als vier Tage bleiben wird. Sollte man also am beispielsweise zweiten Tag herausfinden, dass doch mehr als vier volle Tage geplant wären, dann würde man gleich ab diesem Zeitpunkt, allein durch diese Erkenntnis, am Zielort kein Reisender mehr sein.

Spezialfall: Zeitlich unbestimmter Abreisegrund

Wenn man am Zielort lediglich eine bestimmte Sache abwartet und deswegen unklar ist, ob der Aufenthalt lange sein wird oder nicht, könnte man sogar für bis zu 18 Tage als Reisender gelten, solange man vorhat, sofort nach der jeweiligen Sache abzureisen. Beispiele für eine solche Sache wären das Warten auf eine Lieferung, eine Person, Testergebnisse oder ein für die Reise angemessenes Wetter.

Selbstverständlich gilt das jedoch auch nur, wenn man nicht schon im Vorhinein wissen, dass diese Sache mindestens vier Tage dauern wird. Dann würde man am Zielort natürlich gar nicht als Reisender gelten.

[siehe The Accessible Conspectus, Reliance of the Traveller, Tuhfat al-Muhtāj]

Weitere Quellen als Links:

Und ALLĀH ta’ālā weiß es am besten.