Was das Fasten bricht (1/2) – Bedingungen des Brechens

Bismillāhir-rahmānir-rahīm.
Al-hamdu lillāhi rabbil-ālamīn.
Was-salātu was-salāmu alā rasūlinā muhammad,
wa alā ālihi wa sahbihi ajma’īn

In Deinem Namen lernen wir diese Dinge und nur Dir gegenüber müssen wir uns am Ende rechtfertigen.


Welche Dinge konkret das Fasten annullieren bzw. brechen würden, wird erst im zweiten Teil behandelt. Dieser Beitrag behandelt zunächst die Frage, in welchen Situationen eine solche Sache überhaupt das Fasten brechen würde.

Fastenbrechende Handlungen annullieren nur das Fasten einer Person, wenn die folgenden drei Bedingungen erfüllt werden:

  1. Wissen, dass die jeweilige Handlung das Fasten brechen würde
  2. Erinnern, dass
    • man gerade fastet, und
    • dass die jeweilige Handlung das Fasten brechen würde
  3. Absichtlich die jeweilige Handlung vollziehen

Diese drei Punkte werden im Nachfolgenden nun genauer behandelt.

1. Unwissenheit

Der Muslim ist allgemein dazu verpflichtet, die Grundlagen seiner Religion zu erlernen. Daher gilt die Unwissenheit über einen bestimmten Fastenbrecher nur, wenn er beim Erlernen seiner Religion nicht nachlässig war.

Der Gesandte ALLĀHs ﷺ sagte (ungefähr übersetzt):

„Die Suche nach dem Wissen ist für jeden Muslim verpflichtend.“

[Sunan Ibn Mājah]

Von einer ‚gültigen Unwissenheit‘ kann man daher nur sprechen, wenn die Person erst vor Kurzem zum Islam konvertiert ist oder wenn ihre Umgebung auch allgemein unwissend über den jeweiligen Fastenbrecher ist.

Fälle in denen das Fasten aufgrund von Unwissenheit noch gültig wäre:
  • Jemand ist erst vor Kurzem zum Islam konvertiert und dachte dass man beim Fasten zwar nichts essen darf, aber trotzdem Wasser trinken darf.
  • Man wusste nicht, dass es das Fasten brechen würde, wenn man sich absichtlich zum Erbrechen bringt.
  • Eine Person hat noch nie davon gehört, dass laut der Madhhab das Benutzen von Ohrstäbchen das Fasten bräche, weil es zu den Dingen gehört, die generell nicht vielen bekannt sind. [Näheres hierzu im zweiten Beitrag.]

2. Vergessen

Der Gesandte ALLĀHs ﷺ sagte (ungefähr übersetzt):

„Wenn jemand vergisst, (dass er fastet) und isst und trinkt, soll er sein Fasten fortsetzen, denn ALLĀH hat ihn essen und trinken lassen.“

[Sahīh al-Bukhārī und Sahīh Muslim]

Wer im Verlauf des Tages vergisst, dass er fastet, dessen fastenbrechende Handlungen sind in diesem Zustand nicht von Bedeutung.

Eine Person, die zwar ihr Fasten nicht vergessen hat, aber stattdessen vergessen hat, dass eine bestimmte Sache das Fasten bricht, wäre nicht immer entschuldigt. Wie bei der Unwissenheit gilt auch hier: Entweder die Person ist vor Kurzem zum Islam konvertiert oder das Wissen über diesen Fastenbrecher ist allgemein nicht sehr verbreitet. In diesen Fällen wäre das Vergessen nämlich plausibel.

Fälle in denen das Fasten aufgrund des Vergessens noch gültig wäre:
  • Am ersten Tag des Ramadān trinkt eine fastende Person aus Gewohnheit ihren morgendlichen Kaffee. Als ihr einfällt, dass sie fastet, spuckt sie ihn gleich in das Waschbecken und spült ihren Mund aus.
  • Eine Person hat auf dieser Seite zwar gelesen, dass das Benutzen von Ohrstäbchen das Fasten bräche, aber hat diese neue Information jedoch später wieder vergessen und dann während des Fastens gemütlich ihre Ohren gereinigt. Als es ihr wieder einfällt, entfernt sie das Ohrstäbchen gleich.

3. Unabsichtlichkeit

Wer zwar weiß, dass er fastet und dass eine bestimmte Handlung das Fasten brechen würde, dessen Fasten wäre noch gültig, wenn er sie nicht freiwillig vollzog.

Fälle in denen das Fasten aufgrund von Ungewolltheit noch gültig wäre:
  • Jemand bedroht eine fastende Person mit einer Waffe und zwingt sie dazu, etwas zu essen.
  • Eine fastende Person verschluckt aus Versehen eine Fliege.
  • Man vollzieht unmittelbar vor der Fajr-Gebetszeit den Geschlechtsakt mit seinem Ehepartner. Als man von dem bevorstehenden Beginn der Fajr-Gebetszeit überrascht wird, hört man zwar rechtzeitig vor Fajr auf, aber die durch den Akt ausgelösten Reize führen dann trotzdem zu einem sexuellen Höhepunkt in der Fajr-Gebetszeit, weil man diese Reaktion nicht mehr aufhalten kann.

Wichtig: Sollte man einen Fastenbrecher nach Fajr begehen (wie z.B. das Essen oder den Geschlechtsakt), weil man fälschlicherweise dachte, Fajr wäre noch nicht eingetroffen, dann wäre es nicht entschuldigt und das Fasten wäre somit ungültig. Die beschriebene ‚Ungewolltheit‘ träfe hier also nicht zu! Bitte nicht verwechseln! Wenn man sich aber nicht sicher war, ob Fajr wirklich bereits eingetroffen ist, dann wäre das Fasten wegen diesem Zweifel noch gültig.

Ungewollt, aber provoziert

Allgemein gilt, wenn man eine fastenbrechende Handlung unabsichtlich macht, wäre diese nur entschuldigt, wenn man sie nicht grundlos provoziert hat. Ein gültiger Grund wäre eine islamische Verpflichtung oder zumindest Empfehlung; also der Wudu, der Ghusl und das Beseitigen von rituellen Unreinheiten. (Andere Beispiele sind mir zum aktuellen Zeitpunkt nicht bekannt.)

Fälle in denen das Fasten aufgrund von Fahrlässigkeit bräche:
  • Würde eine fastende Person zur Erholung baden und es käme Wasser zu tief in ihre Ohren, ihren Mund oder ihre Nase, so wäre sie nicht entschuldigt. Ein Erholungsbad ist nämlich weder verpflichtend noch empfohlen.
  • Wenn eine Person ausgerechnet während des Fastens ihre Nasenhaare trimmt und anschließend ihre Nase ausspült, um die Resthaare zu entfernen, wäre sie auch nicht entschuldigt, wenn dabei etwas von dem Wasser zu tief eindringen würde.
Fälle in denen das Fasten trotz Fahrlässigkeit nicht bräche:
  • Eine Person vollzieht den Wudū und spült dabei ihren Mund und ihre Nase aus. Dabei gelangt etwas Wasser unabsichtlich zu tief.

Übertreibt man jedoch beim Spülen, indem man zu viel Wasser verwendet, man eigentlich schon dreimal gespült hat oder man sogar mit dem Wasser gurgelt, so bräche es das Fasten.

Der Gesandte ALLĀHs ﷺ sagte (ungefähr übersetzt):

„Ziehe das Wasser (beim Wudū) tief in die Nase, außer wenn du fastest.“

[at-Tirmidhī]
  • Eine Person reinigt das Innere ihrer Ohren für den Freitags-Ghusl. Dabei gelangt etwas Wasser unabsichtlich zu tief in Ohr.

Bei dem Ghusl gilt jedoch auch, dass es nur entschuldigt wäre, wenn man bei der Reinigung nicht übertrieben hat.

  • Eine Person übergibt sich ungewollt und spült daher ihren Mund zur Reinigung aus, indem sie ihren Kopf nach hinten beugt und vorsichtig gurgelt. Dabei verschluckt sie etwas Wasser.

Bei der Reinigung des Mundes, der Nase oder der Ohren bräche das Fasten bei Ausrutschern auch dann nicht, wenn man viel Wasser dafür verwenden würde, weil hier das Verwenden von viel Wasser, im Gegensatz zum Wudū, empfohlen wäre.

[siehe Reliance of the Traveller und Shaykh Jamir’s Ramadan-Text]

Und ALLĀH ta’ālā weiß es am besten.