Was macht den Ghusl notwendig bzw. verursacht den Hadath al-Akbar?

Bismillāhir-rahmānir-rahīm,
al-hamdu lillāhi rabbil-ālamīn,
was-salātu was-salāmu alā rasūlinā muhammadin wa alā ālihi wa sahbihi ajma’īn

In Deinem Namen lernen wir diese Dinge und nur Dir gegenüber müssen wir uns am Ende rechtfertigen.

Laut dem Shāfi’ī Madhhab machen nur sechs Dinge den Ghusl notwendig.

Die sechs Dinge, welche den Ghusl notwendig machen oder, anders formuliert, den Hadath al-Akbar verursachen, fallen unter zwei Kategorien:

  1. Die ersten drei Dinge gelten für sowohl Männer als auch Frauen und führen zur Janabah. Die Person wird durch sie junub.
  2. Die anderen drei Dinge sind frauenspezifisch und führen nicht zur Janabah. Eine Frau, die menstruiert hat, mag daher zwar einen Hadath al-Akbar gehabt haben, wurde deswegen aber nicht junub, auch wenn genauso der Ghusl fällig wäre.

Inhaltsverzeichnis

  1. Geschlechtsakt
  2. Austritt von Manī (sexueller Höhepunkt)
    • Zwischen Manī, Madhī und Wadī unterscheiden
    • Rituelle Reinheit von Manī
    • Sich vor dem Ghusl von den Resten entledigen
  3. Tod
  4. Menstruation
  5. Wochenbettblutung
  6. Gebären

1. Geschlechtsakt

Wenn der Kopf des männlichen Gliedes vollständig in die Öffnung des weiblichen Bereiches eindringt, werden sowohl der Mann als auch die Frau dadurch automatisch junub, auch wenn kein direkter Hautkontakt vorhanden war (aufgrund beispielsweise eines Kondoms) und auch wenn es dabei zu keinem sexuellen Höhepunkt kam.

Beide Personen würden auch junub werden, wenn (trotz klarem Verbot) der Geschlechtsakt mit der hinteren Öffnung vollzogen wurde, unabhängig davon, ob es sich dabei um die hintere Öffnung einer Frau, eines Mannes oder eines Tieres handeln würde.

Ob der Geschlachtsakt absichtlich oder unabsichtlich stattfand, spielt in diesem Zusammenhang genauso keine Rolle. Es zählt in diesem Zusammenhang wirklich nur das Eindringen.

Möge ALLAH uns vor Schändlichem bewahren!

2. Austritt von Manī (sexueller Höhepunkt)

Mit dem Begriff Manī ist generell die Flüssigkeit gemeint, die den sexuellen Höhepunkt begleitet. Aufgrund dieser allgemeinen Definition ist damit also nicht nur die Flüssigkeit des Mannes gemeint, sondern auch die der Frau.

Der Grund für das Austreten ist in diesem Zusammenhang irrelevant. Sobald Manī austritt, wird die Person junub, egal ob man während des sexuellen Höhepunktes bei Bewusstsein war oder nicht, oder ob es absichtlich geschah oder nicht. Deswegen würde auch ein feuchter Traum den Ghusl notwendig machen, auch wenn man sich nicht an den Traum erinnern könnte, sondern einfach nur nach dem Aufwachen Manī auf seiner Unterwäsche vorfinden würde.

Würde eine Person theoretisch den sexuellen Höhepunkt erreichen, ohne dass irgendeine Flüssigkeit austritt, so wäre weder der Ghusl noch sonst irgendetwas fällig, weil es wirklich nur von Manī abhängt.

Interessanter theoretischer Fall: Würden zwei Personen (des gleichen Geschlechts) in einem Bett schlafen und am nächsten Morgen auf dem Bett dann Manī vorfinden, ohne zu wissen, von wem es stammt, so müsste keiner der beiden den Ghusl vollziehen. Der Grund hierfür ist, dass es bei beiden Personen unsicher wäre und Zweifel keine Janabah herbeiführen können.

2a. Zwischen Manī, Madhī und Wadī unterscheiden

Wenn man nach dem Schlaf eine Nässe an seiner Unterwäsche vorfindet, aber sich nicht sicher ist, welche Flüssigkeit dort nun genau vorliegt, kann man sich mehr oder weniger entscheiden, wovon man ausgehen will. Man könnte sich rein theoretisch sogar für die Option entscheiden, die einem weniger wahrscheinlich erscheint.

Sollte man von Manī ausgehen, wäre somit nur der Ghusl fällig. Bei allen anderen Flüssigkeiten wäre einfach nur das Waschen des betroffenen Bereiches nötig (und natürlich der Wudu, aber der wurde wahrscheinlich schon durch das Schlafen ungültig).

Es folgen nun kurze Beschreibungen der Sexualflüssigkeiten, damit man mehr darüber weiß, worauf man beim Einschätzen achten soll.

Manī – Flüssigkeit des sexuellen Höhepunktes

Die Gelehrten der Madhhab sagten, dass auch nur bei einer der drei folgenden Eigenschaften gleich davon ausgegangen werden soll, dass es sich um Manī handelt:

  1. Höhepunkt der sexuellen Reize beim Austreten der Flüssigkeit, mit darauffolgendem Tiefpunkt dieser Reize
  2. Austreten in Schüben bzw. Stößen durch Kontraktionen
  3. Riecht grundsätzlich nach Brotteig und im trockenen Zustand nach Eiweiß

Bei Männern ist es eher weiß und dickflüssig und bei Frauen eher durchsichtig bzw. leicht gelb und nicht dickflüssig. Diese Eigenschaften stellen laut der Madhhab jedoch keine K.-O.-Kriterien dar.

Madhī – Flüssigkeit des sexuellen Reizes

Madhī dient gewissermaßen dazu, das System auf einen bevorstehenden sexuellen Höhepunkt vorzubereiten. Es tritt somit langsam und in kleineren Mengen als Reaktion auf sexuelle Reize aus.

Wadī – von sexuellen Reizen unabhängige Flüssigkeit

Es wird der Flüssigkeit nachgesagt, sie würde nach dem Urinieren oder dem Tragen eines schweren Gewichts in kleinen Mengen austreten. Man kann diese Flüssigkeit praktisch als eine grundlos austretende Sexualflüssigkeit verstehen. Es kann sein, dass Wadī bei manchen Menschen kaum bis gar nicht austritt.

2b. Rituelle Reinheit von Manī

Im Gegensatz zu Madhi und Wadi ist Manī rituell rein. Das bedeutet, dass von Manī betroffene Bereiche daher theoretisch auch nicht gereinigt werden müssten. Obwohl man in diesem Zustand das Gebet verrichten könnte, wäre es natürlich dennoch ratsam, die Bereiche zu reinigen.

Sollte vor dem Austreten von Manī jedoch schon Madhī ausgetreten sein, weil sich vor dem sexuellen Höhepunkt ausreichend sexuelle Reize angesammelt haben, so würde das Manī beim Austreten an der Öffnung gleich rituell unrein werden, wegen dem Kontakt mit dem rituell unreinen Madhī bzw. dem Bereich, der durch Madhī rituell unrein wurde. Dass Manī beim Austreten auf diese Art gleich rituell unrein wird, wird jedoch nur angenommen, wenn man sich über das Austreten von Madhī sicher war.

Wenn Madhī mit Manī gemischt austritt oder das Madhī erst austritt nachdem Manī bereits ausgetreten ist, dann tut man im Bezug auf die Reinheit so als wäre nur Manī ausgetreten.

2c. Sich vor dem Ghusl von den Resten entledigen

Weil eine gewisse Zeit lang nach dem sexuellen Höhepunkt noch kleinere Mengen von Manī austreten können, müsste eine Person den Ghusl noch einmal vollziehen, wenn nach einem zu früh vollzogenen Ghusl (mit Sicherheit) noch Reste von Manī austreten. Deswegen sollte man Vorkehrungen treffen (insbesondere Männer), damit das nicht passiert, wie sich vor dem Ghusl ausreichend zu bewegen und vielleicht ein- bis zweimal zu urinieren. Weil Manī im Gegensatz zu Urin dickflüssiger und haftender ist, kann das Entledigen auch etwas länger dauern. Wie genau man sich von den Resten entledigt, variiert auch hier (wie nach dem Urinieren) von Person zu Person und müsste somit individuell eingeschätzt werden.

Ähnlich müsste man sich auch nach dem Austreten von Madhī und Wadī von ihren Resten entledigen, obwohl bei diesen beiden Flüssigkeiten natürlich nicht der Ghusl gefährdet wäre.

Sollten bei einer Frau nach dem Geschlechtsakt und dem darauffolgenden Ghusl später Reste von Manī austreten, würde sie dadurch nur dann junub werden, wenn sie bei dem Geschlechtsakt auch selbst den sexuellen Höhepunkt erreicht hat. Hätte lediglich ihr Mann den sexuellen Höhepunkt erreicht, dann könnte sie nämlich davon ausgehen, dass es sich ausschließlich um das Manī ihres Mannes handelt. Sollte sie jedoch genauso den sexuellen Höhepunkt erreicht haben, dann wird davon ausgegangen, dass es sich mindestens um eine Mischung aus ihrem und seinem Mani handelt, weswegen sie auch wieder junub werden würde.

3. Tod

Wenn eine Person stirbt, hat sie damit auch einen Hadath al-Akbar. Die muslimische Gemeinschaft wäre dann dazu verpflichtet (im Rahmen der Beerdigung), den Körper des/der Verstorbenen mit dem Ghusl wieder zu reinigen.

Nach dem Tod kann der Person dann auch kein Hadath al-Akbar mehr widerfahren. Daher müsste man auch den Ghusl auch unter keinen Umständen erneut durchführen.

4. Menstruation und 5. Wochenbettblutung

Während der Mensturation und während der Wochenbettblutung ist es Frauen nicht möglich den Wudu oder den Ghusl zu vollziehen. Mit dem Ende dieser Zustände ist der Ghusl notwendig. Näheres zu diesen frauenspezifischen Themen wird inshaAllah in eigenen Beiträgen behandelt.

6. Gebären

Normalerweise folgt auf eine Geburt immer die Wochenbettblutung. Das Gebären wurde separat genannt, um auch den theoretischen Fall einer Trockengeburt abzudecken.

Eine Fehlgeburt würde auch unter diesen Punkt fallen. Genauso würde das austretende Blut nach einer Fehlgeburt als Wochenbettblutung gelten. Das alles unter der Voraussetzung, dass ein Experte oder eine Expertin bestätigt, dass sich daraus ein Kind hätte entwickeln können.

Geburten per Kaiserschnitt werden in diesem Zusammenhang als normale Geburten gewertet.

[siehe Reliance of the Traveller, Tuhfat al-Muhtāj und Hashiyah al-Bajuri]