Die vier Madhāhib (2/2) – Wie kam es zu diesen vier?

Bismillāhir-rahmānir-rahīm.
Al-hamdu lillāhi rabbil-ālamīn.
Was-salātu was-salāmu alā rasūlinā muhammad,
wa alā ālihi wa sahbihi ajma’īn

In Deinem Namen lernen wir diese Dinge und nur Dir gegenüber müssen wir uns am Ende rechtfertigen.


Teil 1 gibt es hier.

Entstehung der vier Madhāhib

In den verschiedensten Teilen der islamischen Welt haben sich bestimmte Persönlichkeiten durch ihr enormes Wissen bewiesen, indem sie sich sehr viel Wissen angeeignet haben, ihr Wissen an ihre Umgebungen weitergaben und sich mit ihren Lehren klar von Anderen abhoben. Das machte sie dann in ihrer jeweiligen Region bekannt und die Leute zogen ihre Unterrichte den Unterrichten anderer vor.

Zu dem Madhhab-System kam es dann selbstverständlich nicht, indem diese Imāme dann eine gesonderte Anmeldung vornahmen, wie man es heute von Unternehmen kennt: „Ich würde gerne eine Madhhab anmelden, die dann über mehrere Jahrhunderte befolgt wird!“

ALLĀH ta’ālā legte in die Lehren dieser Imāme einen Erfolg, der sich bekannt machte und andere so begeisterte, dass sie auf diesen aufbauen wollten.

Gab es denn nicht auch andere Madhāhib?

Doch, klar. Hier einige Beispiele für Imāme, welche auch ihre eigenen Madhāhib hatten:

  • Imām al-Awzā’ī
  • Imām al-Layth Ibn Sa’d
  • Imām Sufyān ath-Thawrī
  • Imām al-Hasan al-Basrī
  • Imām Sufyān Ibn Uyaynah
  • Imām Ibn Jarīr at-Tabarī

Der Grund, wieso wir heute nur von unseren vier Madhhab-Imāmen – Abū Hanīfah, Mālik Ibn Anas, ash-Shāfi’ī und Ahmad Ibn Hanbal (radīAllāhu anhum) – und ihren Madhāhib reden, ist ziemlich einfach: Nur die Lehren dieser vier haben überlebt!

Während die bekannten vier Madhāhib eine große Anhängerschaft genossen, war dies bei den Madhāhib von genauso großen Imāmen nicht der Fall. Niemand hat ihre Lehren also an spätere Generationen weitergeben können.

Sogar wenn ihr Fiqh in einem ausreichenden Maß erhalten geblieben wäre, gäbe es da dennoch ein Problem: Im Gegensatz zu den vier Madhāhib hat niemand auch nur ansatzweise genug Arbeit in eine der anderen Madhāhib gesteckt (bzw. stecken können), damit man sie später als befolgbar und gültig ansehen könnte. Jetzt wäre das Argument „Der Imām war nicht perfekt und er wusste nicht alles“ angebracht.

Es reicht nicht nur, dass ein Großgelehrter das Fundament für eine Madhhab legt, damit diese auch allgemein befolgbar ist. Diese Madhhab muss dann auch ausgearbeitet werden. Es braucht detaillierte Abhandlungen zu dem Fiqh dieser Madhhab, den Argumenten der jeweiligen Positionen, den Antworten auf Gegenargumente von anderen Gelehrten und dergleichen.

Wer hat diese Aufgabe beispielsweise für den Madhhab von Sufyān ath-Thawrī auf sich genommen? Wieso sollte es akzeptabel sein, einer solchen Madhhab zu folgen, wenn sie sich nicht über Jahrhunderte hinweg derartig entwickeln konnte?

Es geht bei diesem Thema also nicht nur um den jeweiligen Imām.

Gibt es „die beste Madhhab“?

Nein. Von keiner Madhhab kann so etwas behauptet werden. Unsere Absicht bei der Befolgung der Madhāhib ist nicht, dass wir die einzige oder beste Meinung bei ALLĀH ta’ālā befolgen, sondern eine gültige Meinung bei
ALLĀH ta’ālā.

Sehr wichtig: Alle vier Madhāhib sind nicht gleichzeitig absolut richtig! Das wäre ein logischer Widerspruch. Alle vier Madhāhib sind jedoch gleichzeitig absolut gültig und befolgbar!

Seit über 1000 Jahren gibt es diese vier Fiqh-Großprojekte der Ummah mit keinem anderen Grund als diesem.

Wäre es nicht besser, immer die absolut stärkste Meinung zu befolgen statt sich mit einer lediglich gültigen Meinung zu begnügen?

Das wäre selbstverständlich besser und auch klar vorzuziehen, aber ist schlussendlich nicht realistisch.

ALLĀH ta’ālā hat dieser letzten Botschaft ganz klar in bestimmten Fragestellungen eine Mehrdeutigkeit bestimmt, die nur mittels neuer Offenbarungen behoben werden könnte, und eine neue Offenbarung wird es nicht geben. Wieso Ikhtilāf unvermeidbar ist, kann dann in einem separaten Beitrag genauer behandelt werden, aber wird einem erst so richtig mit der Zeit klar, wenn man sich gründlich mit Fiqh und besonders Usūl al-Fiqh beschäftigt.

Alles in diesem mehrdeutigen Bereich bleibt also bis zum Ende spekulativ.

Ich für meinen Teil fühle mich am wohlsten, wenn ich in diesem Bereich einer der vier besten Versuche folgen kann, die extrem viel Aufwand in sich vereinen. Das kann ich ALLĀH ta’ālā am Ende auch am besten erklären.

Schlusswort

Ich hoffe, ich konnte das Thema möglichst einfach vermitteln und die Missverständnisse somit einigermaßen gut runterschrauben.

Und ALLĀH ta’ālā weiß es am besten.